Frauensegeln 2010

Pippilotta-Törn vom 2. bis 5. September 2010

Kappeln–Ærø–Langeland–Strynø–Avernakø–Kappeln

Eine Seefahrt, die ist lustig, wenn der Skipper einen Bart hat und über die sieben Weltmeere gesegelt ist, die Crew hart gesotten und ihr Handwerk versteht, der Bordhund die Ratten von Deck hält und die Mannschaft keine Angst vor dem Klabautermann hat.

Keine Frage, dass auf der Pippilotta alle diese Voraussetzungen mehr als erfüllt waren: der Skipper beherrschte auch das achte Weltmeer, die Ostsee – notfalls mit verbundenen Augen, die Stammcrew verstand es, in tiefschwarzer Nacht das Großsegel abzuschlagen und die Mannschaft, allesamt Froonslüd, konnte schon nach wenigen Stunden Backbord von Steuerbord unterscheiden. Außer gelegentlich der immer hungrige Deckshund stand einer abenteuerlichen Schiffsreise durch die dänische Südsee also nichts im Wege.

Ablegen in Kappeln am späten Nachmittag bei Sonnenschein, Kurs Schleimünde. Die Mannschaft wird nach dem Auslaufen von Skipper Hartwig mit allen Gepflogenheiten an Bord der Pippilotta vertraut gemacht: Erläuterungen und Vorschriften zum Rettungswesteneinsatz, zur Sicherheit bei Decksarbeiten, zum Verhalten im Kollisions-, Kaperungs-, Feuerfall, zur Ersthilfeausstattung, Hinweise zur Backschaft, zum Gefahren vermeidenden Benutzen des Niederganges, zu Kombüsen- und Reinigungsdiensten. Die Mannschaft gelobt dem Skipper Gefolgschaft, huldigt Rasmus und macht sich auf Erkundungsgang über den Großsegler. Biene, die Skippersfrau, taucht aus dem Maschinenraum, ihrem Lieblingsplatz auf der Pippilotta, auf und inszeniert zum Abendbrot nach Art einer Profiköchin, die sie im wirklichen Leben auch wirklich ist, ein Fischbuffet vom Feinsten.

Jenseits von Schleimünde eröffnet sich die dänische Inselwelt. Mit Kurs Nord-Ost geht es in die Nacht. Eine leichte Sommerbrise bläht stattlich die Segel an den drei Masten und am Klüver von Pippilotta und unter sternenfunkelndem Himmel breitet sich jene Seefahrerromantik aus, die wir sonst nur aus Abenteuerbüchern kennen. Mitternächtliche Stille, Vollmond, unendliche Weite, Meeresleuchten in der leise plätschernden Bugwelle. Eher unmerklich beginnen nach und nach Gestalten durch die Szene zu huschen, verhaltene Unruhe an Deck, hier und da klickt leise ein Lifebelt, Menschen turnen geräuschlos auf dem Großbaum, lassen die Großgaffel nieder. Ein riesiges Tuch legt sich in Falten, wird in ganzer Länge und Höhe von den Spieren gelöst, zu einem Bündel verpackt und an Deck herabgelassen. Das Großsegel. Es hat auf der letzten Fahrt einen Riss bekommen und muss auf der Insel Ærø, unseren ersten Zwischenstopp, repariert werden. Gut zwei Stunden hat die Crew, allen voran Andrea, zu tun. Sie kennt die Pippilotta wie ihre Westentasche und macht auf diesem Törn die letzten Meilen für ihren Traditionsschifferschein.

Weit nach Mitternacht kommt die Insel in Sicht. Mit atemberaubender Präzision und Geschicklichkeit legen Skipper Hartwig mit seinem Team die Pippilotta an die Kaimauer von Marstal. Gegen zwei Uhr morgens macht sich die schon von Erschöpfung gezeichnete Crew auf, das tonnenschwere Großsegel im Ort zum Segelmacher zu schleppen. Der hatte zugesagt, es zu reparieren und noch vor dem Ablegen am Morgen zurückzubringen.

Die erste Nacht, wenn auch zum Schlafen kurz, hatte schon bis zum Morgengrauen alles gehalten, was sich die Gäste von einem Törn mit der Pippilotta erträumt hatten.

Der neue Tag beginnt mit einem Fünf-Sterne-Gourmet-Frühstück. Anschließend erkundet die Mannschaft unter Skipper Hartwigs Führung den Hafen und das maritime Museum Marstal, eine liebevoll hergerichtete Ausstellung zum Leben auf und mit Schiffen in dänischen Gewässern, die so umfangreich und interessant ist, dass ein ganzer Tag dafür noch nicht lang genug wäre. Zurück am Schiff ist die Besatzung unter Andreas Anleitung damit beschäftigt, das riesige Segel sachgerecht wieder anzuschlagen. Jeder Knoten muss sitzen. Sie überprüft alle Handgriffe und kontrolliert akribisch jede Leine anhand eines mächtigen Traditionsseglerhandbuches. Gegen Mittag ist die Arbeit geschafft, die Besegelung wieder vollständig, wir legen ab im Sonnenschein.

Der nächste Hafen, Rudkøbing auf Langeland, wird angesteuert. Dort soll Jule, ein weiteres Mitglied der Stammcrew an Bord genommen werden. Auch dieser Landgang wird zum kulturellen Leckerbissen. Auf dem idyllischen Marktplatz von Rudkøbing hat sich die Staatskapelle Kopenhagen aufgebaut und bietet ein Big Band Konzert der feinsten Art. Danach ist noch Zeit für einen kurzen Stadtbummel durch die eleganten dänischen Kunsthandwerkläden und ein Eis auf die Faust. Am frühen Nachmittag sind alle zurück. Nun heißt es Segel setzen, auch die Breitfock soll nun zum Einsatz kommen. Unter Hartwigs Anleitung wird das gewaltige Tuch ausgebreitet, angeschlagen und über die Breitfockbrassen gehisst. Alle Plünnen oben ist es ein staatsches Bild, das unsere Pippilotta auf dem Kurs zum nächsten Hafen abgibt. Am Abend erreichen wir den kleinen Hafen von Strynø. Die Insel in Sonnenschein lädt zu Spaziergängen und zum Baden ein. Der Abend unter Deck wird nach einem abermals köstlichen Menu beim Klönen und Kartenspielen sehr gesellig. Am Ende eines ereignisreichen Tages lauschen alle Skipper Hartwigs Erzählungen von den Seeabenteuern auf der Pippilotta.

Am nächsten Morgen ist ein leichter Krankenstand zu vermelden, zwei Besatzungsmitglieder sind von Montezumas Rache getroffen. Es wird ein Quarantäneklo eingerichtet an dessen Tür eine Totenkopfbeschilderung eindringlich vor den Folgen der Nichtbefolgung der Sanitärvorschriften warnt. Ansonsten sind alle guter Dinge und weite Teile der Besatzung lassen sich ein frühsportlichen Bad im glasklaren Hafenwasser nicht nehmen.

Ablegen im leichten Nieselregen. Der Wind ist recht flau, also wird der Diesel angeworfen, um uns in Richtung Lyø zu schieben. Es wird ein gemütlicher Tag an und unter Deck, Rudergehen, Messing putzen, Erste-Hilfe-Koffer checken, hier und da etwas reparieren. Kurz vor dem Ziel am Abend gibt der Hafenmeister von Lyø über Funk zu verstehen, dass für unser großes Schiff kein Platz ist. Wir weichen nach Avernakø aus.

Diese Nachricht erreicht wohl nicht alle Mannschaftsmitglieder, insbesondere einige Backschafterinnen nicht. Wie auch, wenn unter Deck mit Potten und Pannen geklappert wird? Deshalb haben sie das außerordentliche Privileg, nach einem abermals opulenten Abendessen, auf „Erkundungsgang über Lyø zu gehen“ und am nächsten Morgen auf „Avernakø zu frühstücken“.

Das gute Wetter ist zurück, der letzte Tag des Törns gekommen. Skipper Hartwig ordnet frühen Aufstand an. Das betrifft im Wesentlichen die Crew und zu Teilen die Backschaft, die für den Kaffee für die Crew sorgen muss. Noch vor Tau und Tag wird leise abgelegt. Als die Mannschaftsmitglieder die Nasen aus den Luken stecken, ist die Pippilotta schon auf dem Rückweg nach Kappeln. Die Sonne gibt ihr Bestes und die Mannschaft auch, beim Aufräumen und Deckschrubben und Lied-dichten. Pünktlich um 14 Uhr liegt der gemütliche Großsegler wieder im Heimathafen an und spuckt eine glückliche Mannschaft an Land. Auf ein nächstes Mal, wenn Heida ruft: Wer fährt mit auf der Pippilotta?
Das geht doch klar, oder?

Inge Voltmann-Hummes

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