Laktatschwellenkonzepte

Aerobe und anaerobe Ausdauer

Bei aerober Ausdauer (aerob = sauerstoffabhängig) steht genügend Sauerstoff zur oxidativen Verbrennung von Glykogen (tierische Stärke) und Fettsäuren zur Verfügung. Anaerobe Ausdauer liegt vor, wenn die Sauerstoff-zufuhr zur oxidativen Verbrennung unzureichend ist und Stoffwechselvorgänge, die ohne Beteiligung von Sauerstoff ablaufen (anaerob = anoxidativ), eine wesentliche Rolle spielen. Im Mittelpunkt der anaeroben Energiewandlung steht die anaerobe Glykolyse, der Weg des Zuckerabbaus zur Milchsäure (Laktat = Salz der Milchsäure). Die Sauerstoffmehraufnahme nach der Belastung dient einmal dem Wiederauffüllen der Kreatinphosphatspeicher (= alaktazide Sauerstoffschuld) und dem oxidativen Abbau des gebildeten Laktats (= laktazide Sauerstoffschuld).

Trainingssteuerung und Laktatschwellenkonzepte

Für die Trainingspraxis (Steuerung der Ausdauerbelastungen) hat sich in der Trainingspraxis die genaue Kenntnis vom Übergang der vorrangig aeroben zur zunehmend anaeroben Energiebereitstellung als wichtig erwiesen. Aus der Betrachtung dieses Phänomens ist das Konzept der aeroben Schwelle und des aerob-anaeroben Übergangs entstanden.

Solange bei niedrigen Belastungsintensitäten die Muskeltätigkeit von aeroben Glykogen- und Fettstoffwechsel unterhalten wird, liegen im Blut Laktatwerte von weniger als 2 mmol/l vor (Normalwerte in Ruhe 1,0–1,78 mmol/l).

Die aerobe Schwelle, gekennzeichnet mit Laktatwerten von 2 mmol/l, stellt nun die Grenze der rein aeroben Energiebereitstellung dar. Laktat, das bis dahin auch entstanden sein kann, wird im Muskel beseitigt. Jenseits der aeroben Schwelle tritt Laktat ins Blut über und sammelt sich an. In diesem aerob-anaeroben Übergangsbereich halten sich Laktatbildung und Laktatabbau die Waage. Es liegt ein Laktatgleichgewicht (Laktat steady-state) vor, soweit die vorliegende Intensität nicht gesteigert wird. Bei 4 mmol/l Blutlaktat, an der anaeroben Schwelle, ist jedoch die obere Grenze, das heißt der Punkt des maximalen Laktat steady-states (Maxless) erreicht. Um den erforderlichen Energiefluß pro Zeiteinheit für Intensitäten jenseits der anaeroben Schwelle halten zu können, ist glykolytische Energieproduktion in höheren Anteil notwendig. Trotz Einhalten der eingeschlagenen Intensität steigt der Blutlaktatspiegel laufend weiter an. Die Laktatbeseitigung (Laktatelimination) kann mit der Laktatproduktion nicht mehr Schritt halten. Die Schwellenwerte von 2 und 4 mmol/l sind empirisch aus Atem- und Stoffwechselverhältnissen gefundene Größen. Sie haben mit geringen Abweichungen hohe Allgemeingültigkeit.

Bei Untrainierten und Hoch-Ausdauertrainierten entspricht die starre Festlegung der anaeroben Schwelle bei 4 mmol/l meist nicht den individuellen Verhältnissen des Muskelstoffwechsels und der Laktatkinetik. Die anaerobe Schwelle Untrainierter liegt nicht selten über 4 mmol/l (bei 5-6 mmol/l), die von Hochtrainierten deutlich darunter (2,5–3 mmol/l). Deshalb wurde die individuelle anaerobe Schwelle eingeführt und als der Punkt in der Laktatkurve definiert, an dem die kritische Steigung beginnt.

Die anaerobe Schwelle kann nun zu verschiedenen anderen Leistungsparametern in Beziehung gesetzt werden. In der Trainingspraxis ist es die Fortbewegungsgeschwindigkeit ([m/s] oder [km/h]) oder die Herzfrequenz [Hf/min], soweit diese Parameter als zuverlässig genug angesehen wird. Die Rahmenempfehlungen für das Juniorentraining des DRV geben auch die Schlagfrequenz und die Bootsgeschwindigkeit in Prozent der Prognosezeit als Steuergrößen an. Bei sportmedizinischen Untersuchungen kann der in Anspruch genommene Prozentsatz der maximalen Sauerstoffaufnahme [l/min] herangezogen werden. Damit ist die Höhe der anaeroben Schwelle konkret festgelegt. Aus mehreren Untersuchungen liegen Ergebnisse vor, die in der Tabelle wiedergegeben sind.

Belastungsintensität und Energiestoffwechsel

Ein einfaches und doch sehr brauchbares Hilfsmittel insbesondere auch für Anfänger stellen dagegen Pulsmessungen als indirekte Bestimmung der Herzfrequenz dar, die auf folgenden Beziehungen zu den oben skizzierten Energiebereitstellungsbereichen beruhen.

Bei Frequenzen bis etwa 130/min wird die Energie fast ausschließlich auf aeroben Wege bereitgestellt; Laufbelastungen in diesem Intensitätsbereich (zum Beispiel lockere Dauerläufe wie beim Jogging) machen sich bei entsprechenden Umfängen über eine Verbesserung des Muskelstoffwechsels (vorwiegend Fettverbrennung) und der Koordination sowie bestimmte vegetativ-nervöse Umstellungsmechanismen in einer Ökonomisierung des Herz-Kreislaufverhaltens – meßbar an einer Abnahme der Herzfrequenz – bemerkbar.

Im Frequenzbereich zwischen 130 und etwa 170/min wird in steigendem Maße auch die anaerobe Energiebereitstellung in Anspruch genommen; Belastungen in diesem Bereich (flotte bis Tempodauerläufe, extensive Intervalle) lassen, solange die anfallende Milchsäure durch den Organismus weiter verarbeitet werden kann, noch relativ große Trainingsumfänge zu, wegen des zunehmenden Sauerstoffbedarfs verbessern sie insbesondere die Leistungsbreite des Herz-Kreislaufsystems (Vergrößerung des Herzens und Zunahme der Muskeldurchblutung). Bei Frequenzen über 170/min werden die Belastungen wegen der nun überwiegend anaeroben Energiebereitstellung sehr schnell kürzer und betragen im Maximalbereich (Puls etwa 200/min) nur noch etwa eine Minute; Trainingsmittel in diesem Bereich (intensive Intervalle, Tempoläufe) bewirken ebenfalls noch ausgeprägte Anpassungserscheininungen am Herz-Kreislaufsystem und verbessern natürlich insbesondere die Fähigkeit des Organismus, unter anaeroben Bedingungen zu arbeiten und der ermüdenen Wirkung der Milchsäure zu widerstehen.

Eine Einschränkung erfahren diese Angaben dadurch, daß es sich um Durchschnittswerte handelt, die insbesondere in Abhängigkeit vom Alter, aber auch vom Trainingszustand und Geschlecht ganz erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Sie erlauben aber dennoch – zum Beispiel im Freizeitsportbereich – eine näherungsweise Steuerung der Trainingsintensität, wenn sie altersabhängig angepaßt werden. Danach ist in den verschiedenen Bereichen für jedes Lebensjahrzehnt mit einer Abnahme um etwa 5 bis 10 Herzschläge pro Minute zu rechnen. So kann die sogenannte maximale Herzfrequenz, wie sie bei kurzfristigen, erschöpfenden Belastungen auftritt und im Training in jedem Falle – besonders im höheren Alter – unterschritten werden sollte, nach der einfachen Faustregel "220 minus Lebensalter" angegeben werden; entsprechend niedriger liegt die sogenannte Trainingsfrequenz (Faustregel: 180 minus Lebensalter), die für ein kreislaufwirksames Lauftraining als Optimum angegeben wird. Über diese Näherungswerte hinaus ist eine individuelle Bestimmung der verschiedenen Frequenzbereiche durch relativ einfache, auch im Breiten- und Gesundheitssport realisierbare sportmedizinische Untersuchungen möglich, bei denen das Herzfrequenzverhalten auf verschiedenen Belastungsstufen (zum Beispiel auf dem Fahrradergometer) Hinweise auf den Leistungszustand und Anhaltspunkte für die Trainingsgestaltung geben kann.

Eine Formel zur Berechnung der Trainingsherzfrequenz für Gesunde hat Martin auf Grundlage von empirischen Untersuchungen entwickelt:
Trainingsherzfrequenz = maximale Herzfrequenz – (0,45 * Ruheherzfrequenz)

Die Bestimmung der Pulsfrequenz ohne irgendwelche Geräte (zu Hause oder beim Training) erfolgt üblicher-weise am Handgelenk über der Speichenschlagader, besser jedoch über der gut tastbaren Halsschlagader unterhalb des Kieferwinkels (einseitig!); die Pulse werden über 10 Sekunden gezählt und nach Multiplikation mit dem Faktor 6 als Puls/Minute angegeben.

Der Belastungspuls wird wiederholt während oder unmittelbar nach Ende der Belastung ermittelt. Er gibt die Trainingsintensität wieder. Hierbei entsteht gegenüber dem echten Belastungswert ein Fehler von maximal 5%.

Der Ruhepuls stellt – unter echten Ruhebedingungen (morgens unmittelbar nach dem Aufwachsen) ermittelt – eine sehr konstante Größe dar, die in auffälliger Weise den Trainingszustand, aber auch mögliche gesundheitliche Veränderungen anzeigt; er nimmt von der Kindheit und Jugend (80–90/min) bis ins höhere Alter (60–70/min) kontinuierlich ab und erreicht bei Trainierten Werte um 40–50/min.

Der Erholungspuls ist aufgrund der stark variierenden Begleitumstände etwas weniger zuverlässig; als Richtwert kann jedoch gelten, daß er etwa 2 bis 3 Minuten nach Ende der Belastung um ca. 30% niedriger liegen sollte als der Belastungspuls; höher liegende Werte zeigen eine mangelnde Erholungsfähigkeit an und deuten zum Beispiel auf eine Überforderung oder aber auch auf mögliche gesundheitliche Störungen hin.

Methodik des Ausdauertrainings

Die Entwicklung der Ausdauer ist in Anbetracht der verschiedenen Ausdauerarten und Ausdauertypen mit ihren jeweils komplexen organismischen Beanspruchungen nur in Ausnahmefällen (eventuell im Gesundheitstraining) Angelegenheit einer einzigen Trainingsmethode. Normalerweise können die Zielsetzungen eines Ausdauertrainings (besonders im Leistungssport) nur unter Einsatz verschiedener Trainingsmethoden erreicht werden. Jede Ausdauerbelastungsmethode hat über die grundsätzlichen Wirkungen hinaus ihre spezifischen physiologischen Wirkungen, die es zu gegebener Zeit zu nutzen gilt.

In der einschlägigen Literatur zum Ausdauertraining sind differierende Modelle der Grundmethoden des Ausdauertrainings zu finden. Im folgenden sind die grundlegenden Methoden im Bereich der Ausdauerschulung kurz skizziert und mit den verschiedenen differentiellen Trainingsarten der Ausdauer in Verbindung gebracht.

Die Dauermethode, in kontinuierlicher Form sowie mit wechselnden Intensitäten durchgeführt, dient vorrangig der Schulung der aeroben Ausdauerkomponente. Die aerobe Ausdauer kann aber auch über die extensive Intervallmethode angesteuert werden. Die intensive Intervallmethode entwickelt vorrangig die anaerob-laktazide Komponente der Ausdauer. Für dieses Trainingsziel kann auch die Wiederholungsmethode, die in manchen Konzepten als Variante der Intervallmethode charakterisiert wird, herangezogen werden. Klassischer Einsatzbereich der Wiederholungsmethode und der Serienmethode ist allerdings die Steigerung der anaerob-alaktaziden Ausdauer. Hier sind deutliche Überschneidungen zur Trainingsart Schnelligkeit zu sehen. Die Kraftausdauer wird im Trainingsprozeß durch die Intervallmethoden angesteuert, und zwar in Abhängigkeit vom angestrebten Feinziel in extensiver oder in intensiver Form. Als Organisationsform wird dabei häufig das Zirkeltraining gewählt.

Literatur

  • Güllich, A. & Krüger, M. (Hrsg.). (2013). Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium. Berlin: Springer Spektrum.
  • Hottenrott, K. & Seidel, I. (Hrsg.). (2017). Handbuch Trainingswissenschaft – Trainingslehre. Schorndorf: Hofmann.

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