Symposium Leistungssport 2009

»Wer gewinnt, rudert richtig.«

Über 130 Trainerinnen und Trainer trafen sich am 7. und 8. Februar 2009 in Potsdam zum Leistungssportsymposium des Deutschen Ruderverbands. 17 Referentinnen und Referenten konnte das Ressort Bildung und Wissenschaft in Kooperation mit dem Geschäftsbereich Leistungssport gewinnen, um die Olympischen Spiele zu analysieren und über aktuelle sportwissenschaftliche Themen zu informieren. Die von den langjährigen Ressortmitarbeitern Prof. Dr. Ulrich Hartmann und Rolf Kilzer eingeforderte Disziplin aufgrund des engen Zeitrahmens wurde von den Referenten und Trainern vorbildlich eingehalten. Der Tagungsort im Seminaris SeeHotel Potsdam war gut gewählt.

Schleswig-Holstein war mit insgesamt 15 Personen sehr gut vertreten. So waren u. a. der RVSH-Vorsitzende Reinhart Grahn, die Vorstandsmitglieder Dr. Lars Koltermann, Hauke Hinz und Andreas König, der Landestrainer Christian Müller-Wulf sowie die Honorartrainer Björn Lötsch und Michael Schürmann dabei.

Nach der Begrüßung durch das DRV-Vorstandsmitglied Wolfgang David machte Renko Schmidt den Beginn und stellte das neue Team Leistungssport und den Beraterkreis vor. Er zeigte in einer Übersicht anschaulich die Aufgabenverteilungen von Cheftrainer, Koordination Bundesstützpunkte und Sportdirektor. Die Stelle für den Sportdirektor ist gerade ausgeschrieben. Stefan Grünewald-Fischer (Stellvertretender Vorsitzender Leistungssport) gab eine allgemeine Analyse des Olympischen Zyklus’ 2004 bis 2008. Stefan Grünewald-Fischer wird beim außerordentlichen Rudertag am 14. März in Oldenburg nicht mehr für den Vorstand kandidieren, dafür wird sich Renko Schmidt den Delegierten zur Wahl stellen. Der neue Cheftrainer Hartmut Buschbacher betrachtete den DRV von »außen« und stellte die Leistungssportsysteme anderer nationaler Ruderverbände wie Großbritannien, Kanada, Australien und China vor. Anschließend nahmen Uwe Bender und Christian Viedt disziplinspezifische Analysen vor und berichteten über die jeweiligen Riemenboote in Peking. »Wir haben die Zeiträume falsch zugeordnet, das würde ich mal als Hauptfehler ansehen«, gestand der Achtertrainer Christian Viedt ein. Er schilderte aus seiner Sicht – und glücklicherweise ohne PowerPoint-Unterstützung – die Ereignisse des letzten Jahres rund um den Achter, der in Peking das Finale nicht erreicht hatte. »Das Rennen ist sehr an uns vorbei gefahren. […] Mannschaften sind einer permanenten Erneuerung unterworfen.«

Volker Grabow, Sportwissenschaftler an der Universität Dortmund und ehemaliges Vorstandsmitglied, analysierte den Männer-Riemen-Bereich aus leistungsphysiologischer Sicht. Er fasste zusammen: »Die durchschnittliche Leistungsentwicklung war zufrieden stellend, es gab allerdings zu wenige Athleten mit überragenden physiologischen Leistungen. Bei den Trainingsumfängen wurden nie die Zielstellungen erreicht. Die Trainingsintensitäten fanden ganz überwiegend nicht im Boot sondern beim KA-Land statt. Schwerere Ruderer über 90 kg haben beim Rudern einen ›biologischen Vorteil‹. Bei der Beurteilung der rein physiologischen Leistungsfähigkeit muss das Körpergewicht berücksichtigt werden. In Hochtrainingsphasen etwa in Trainingslagern darf das Körpergewicht nicht unter ein definiertes Wettkampfgewicht fallen.« Dr. Ulrich Kau, Verbandsarzt bei den Olympischen Spielen 2008, berichtete über die krankheitsbedingten Ausfälle. Noch immer zeigte er sich tief betroffen davon.

Die Biomechanikerin Dr. habil. Maren Witt vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig stellte Überlegungen zum Krafttraining im Rudern an. Nach einigen theoretischen Einblicken zu Anforderungen der Wettkampfleistung und dem Training der Antriebsleistung zeigte sie eindrucksvoll Übungen zum Rumpfkrafttraining.

Angelika Noack stellte ihre Erfahrungen im Rahmen der Vorbereitung des Frauen-Doppelzweiers dar. Dieses Boot war mit einer Silbermedaille das erfolgreichste deutsche Boot in Peking. Als eine Schlussfolgerung für die Olympischen Spiele 2012 in London forderte sie die »prinzipielle Einigkeit über Trainingsziele, sowie die inhaltlich-methodische Gestaltung des Trainings mit Heimtrainern, Athletinnen und Athleten sowie ein regelmäßiger Informationsaustausch.« Die zweimalige Olympiasiegerin Katrin Rutschow-Stomporowski berichtete über ihre eigene langfristige Entwicklung. Sie wird die Trainerin A-Ausbildung des DRV und anschließend die Diplom-Trainerin-Ausbildung an der Trainerakademie Köln absolvieren und dem Rudersport weiterhin treu bleiben.

»Rudern hat schon ‘was mit Größe und Hebelverhältnissen zu tun«, stelle Brigitte Bielig, Bundestrainerin für den U19-Bereich, fest. Sie attestierte den Junioren eine »quantitative gute Absicherung« und »stabile Leistungsfähigkeit über große Zeiträume, mit teilweise sehr guten individuellen Leistungen.« Bei den Juniorinnen sei »in der Entwicklung der körperlichen Voraussetzungen ein Abwärtstrend in Körperhöhe und Körpergewicht zu verzeichnen.« Wegen der weiteren demografischen Entwicklung und der verkürzten Gymnasialzeit G8 fürchtet sie: »Nach 2012 habe ich schon große Bauchschmerzen, alle Bootsplätze besetzen zu können.«

Die Referentin Leistungssport-Handicaprudern, Petra Kalix, berichtete über das Abschneiden der Mannschaft bei den Paralympics. Sie zeigte, wie ihre Arbeit zwischen den beiden Verbänden von DRV und dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) aussieht. Unter der Fragestellung »Schmusekurs oder Professionalität?« forderte sie eine gezielte Talentförderung sowie einen hauptamtlichen Trainer.

Prof. Dr. Jürgen M. Steinacker beschrieb seine Tätigkeit in der Sports Medicine Commission der FISA bei den Olympischen Spielen. Weiterhin gab er Informationen über aktuellen Änderungen beim Anti-Doping. »Wir wollen keinen Ruderer durch Bürokratie erschießen, das ist ja Blödsinn«, sagte Steinacker.

Kerstin Förster, Vorstandsmitglied, Sportwissenschaftlerin und Personalentwicklerin, stellte das DRV-Marketingprojekt »Ruderdeutschland« vor. »Deutschland besitzt die besten Trainer der Welt.« Diesen Satz kann sie sich darin gut vorstellen. Sie stellte den Veränderungsprozess dar, der sich gerade im DRV vollzieht. So seien erstarrte Kommunikationsstrukturen aufzubrechen und neue Prozessabläufe zu beschreiben und zu installieren. Das kann auch mit der Trennung von Personen im Guten wie im Bösen einher gehen.

Den zweiten Symposiumstag eröffnete Prof. Dr. Ulrich Hartmann, der kommissarische Ressortleiter Bildung und Wissenschaft und Institutsleiter für Bewegungs- und Trainingswissenschaft an der Universität Leipzig. Er machte Anmerkungen zu aktuellen Sichtweisen verschiedener Belastungsfaktoren im (Hoch-)Leistungssport. Seine Konsequenzen sind u. a. ein »auf für die sportliche Praxis notwendiges, wissenschaftlich gesichertes und begründetes Fakten beruhendes Training« und ein »intelligentes, auf aktuellen leistungsdiagnostischen Erkenntnissen basierendes Training«. »Völlig falsch sei das mehr-intensiver-besser-Prinzip«, stellte er fest. Die anschließende Diskussion moderierte souverän Rolf Kilzer.

Prof. Dr. Klaus Mattes von der Universität Hamburg berichtete über das mobile Messsystems, das zusammen mit dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) weiter entwickelt wird. Beeindruckt waren die Anwesenden von der Sonifikation, der Vertonung des Beschleunigungs-Zeit-Verlaufs. Die »Optimierung des Bootsdurchlaufs im Wassertraining und im 2000-m-Ruderrenen« ist ein vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) unterstütztes Projekt. Mattes versprach, die Klangqualität noch zu verbessern.

Den Abschluss des Seminars bildeten die Leistungssportkonzepte von Cheftrainer Hartmut Buschbacher aus dem A-Breich , von U23-Bundestrainer Lothar Trawiel und U19-Bundestrainerin Brigitte Bielig sowie ein Ausblick auf die aktuelle Olympiade bis 2012 durch den Leistungssport-Teamleiter Renko Schmidt. So machte der Cheftrainer die eingängigen Aussagen »Ich bin ein Freund von Ergometer«, »Do not train slow«, »Da können die noch zwei Jahre rudern, da passiert immer noch nichts« und »Wer gewinnt, rudert richtig«. Etwas konkreter formulierte er: »Wir wollen und können nicht einfach ein anderes Konzept aus Kanada oder Australien übernehmen, aber wir müssen offen sein für neue Tendenzen, Lösungen und Erfahrungen auf internationaler Ebene – und wir müssen diese auch verstehen, einordnen und anpassen.«

Insgesamt war es ein informatives und spannendes Wochenende in Potsdam, bei dem es auch genügend Zeit zum Austausch zwischen den Beteiligten gab. Der Vorstand des DRV war sehr gut bei diesem Symposium vertreten. Stefan Grünewald-Fischer (Leistungssport), Wolfgang David (Finanzen), Kerstin Förster (Marketing und Verbandsentwicklung), Claudia Haßmann (Vereinsservice) und Reinhart Grahn (Länderrat) waren anwesend. Wegen des FISA-Kongresses konnten Siegfried Kaidel (Vorsitzender) und Dr. Dag Danzglock (Wettkampfwesen und Öffentlichkeitsarbeit) nicht kommen. Prof. Dr. Arnim Nethe (Breitensport, Wanderrudern, Umwelt, Ruderreviere und Technik) war zu den Handicap-Beratungen im Vorfeld des Symposium dabei.

Der ausdrückliche Dank geht an die Ehrenamtler des Ressorts Bildung und Wissenschaft Rolf Kilzer und Ulrich Hartmann sowie an die Geschäftsstelle mit ihrer Leistungssportreferentin Kathrin Seegers und Kerstin Rapp.

Fotos: Andreas König

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