Von Ratzeburg nach Rotterdam

Ruder-Nachwuchs bereitet sich akribisch auf Saisonhöhepunkt vor

Nach Rio de Janeiro finden die Junioren-Weltmeisterschaften in diesem Jahr in den Niederlanden statt

Der Steg der Ruderakademie auf dem Ratzeburger See ist bereits in Sicht, als das Motorboot den Vierer in Höhe des Doms anhält: „Boot stoppen, und zehn schnelle Startschläge“, lautet das Kommando von Trainer Marc Swienty. Antonia Michaels (RC Phönix Hamburg), Klara Grube (Lübecker RG), U19-Achter-Weltmeisterin Marieluise Witting und Merle Karwasz (beide Ratzeburger RC) simulieren einen Start, legen sich mächtig in die Riemen. „Stopp“, ruft Swienty. „Startaufstellung, nochmal zehn schnelle Schläge.“ Nach dem letzten Kraftakt nach rund 30 Kilometern am Vormittag ist die Mittagspause in Sicht. „Läuft“, grinst Swienty, als das abgekämpfte Quartett endlich am Steg anlegen darf. Nach der Physiotherapie wartet das Essen.

Nach dem Gewinn von sieben Medaillen bei der U19-Weltmeisterschaft in Rio de Janeiro im Vorjahr sind die Junioren aus der Ratzeburger Ruderakademie und aus Lübeck noch lange nicht statt. Ihr großes Ziel heißt in diesem Jahr Rotterdam – und dafür wird sich bei der Förderwoche des Ruder-Landesverbandes ordentlich gequält.

„Zurzeit haben wir ein kleines Luxusproblem und fast zu viele Bewerber für die 14 Internatsplätze.“ Marc Swienty, Trainer Sportinternat

von-ratzeburg-nach-rotterdam-ln-2016-04-07„Wie sieht’s aus?“, fragt Swienty, als er mit dem Motorboot den Doppelzweier ansteuert. An Bord: U19-Weltmeisterin Annemieke Schanze (RRC) und Paula Vosgerau (Lübecker RG). Die 17-jährige Lübeckerin ist zurzeit Deutschlands schnellste U19-Skullerin, hat die Leipziger Langstrecke über 6000 m gewonnen – mit acht Hundertstel Vorsprung vor Alicia Bohn (Speyer), die bei der U19-WM Platz vier im Einer belegt hatte. In welchem Boot sie am liebsten Rudern möchte? „Dafür ist es noch zu früh. Erst muss ich die Ergebnisse von der Langstrecke über die 2000 m bestätigen. Danach kann man sich Gedanken machen“, gibt sich Vosgerau nach dem Wechsel vom Riemen zu den Skulls zurückhaltend. Über die olympische Distanz geht es in zehn Tagen in Köln bei den Deutschen Kleinbootmeisterschaften der Männer und Frauen sowie dem Frühtest der Junioren.

Für die 18-jährige Schanze ist es das erste Jahr in der U23. In Leipzig belegte sie als jüngster Jahrgang unter den besten Skullerinnen Deutschlands (inklusive den Olympia-Starterinnen) Platz 18 in 26:15 Minuten. „Ich muss noch einiges aufholen“, sagt die Ratzeburgerin, die durch Krankheit Trainingsrückstand hat und „ganz nebenbei“ auch noch ihr Abitur macht. Topfit ist Frieda Hämmerling, mit der sie in Rio U19-Gold im Doppelzweier ewonnen hatte. Die Studentin belegte Platz zwölf (25:29), während Johanna Botz (Lübecker FRK) auf Rang 22 kam (26:42). „Natürlich würde ich gern weiter mit Frieda fahren, aber über die Bootsbesetzung ist noch nicht entschieden worden“, berichtet Schanze, für die zurzeit ebenfalls morgens 20 und nachmittags nochmal gut 18 Kilometer auf dem Plan stehen.
Der Coach hält derweil am U17-Doppelvierer der Akademie. „Das sieht gut aus“, ruft er in Richtung von Emma Appel, Johanna Kodal sowie von Franziska und Katharina Stamer. Keine Reaktion von der Crew. „Hey, das war ein Lob“, sagt der Coach. Doch nicht nur Emma weiß, „dass jetzt das Aber folgt.“ So ist es: „Ihr habt über den Winter so hart trainiert, bringt die Kraft aber nicht auf die Ruderblätter.“ Er korrigiert hier den Sitz, da die Armhaltung und sagt, wann angezogen wird. Nach drei Starts mit je fünf Schlägen hat es das Quartett jetzt drauf – und bei Emma Appel zeigt sich jetzt ein Grinsen. „Geht doch“, schmunzelt Swienty beim Blick auf die „Next Generation“.

Die eineiigen Stamer-Zwillinge kamen übrigens vor einem halben Jahr durch Google aus Hessen zur Akademie: „Sie haben ein Ruderinternat gesucht und sind so zu uns gekommen“, berichtet der Coach. Zudem sind auch die Ergebnisse von Rio die beste Mundpropaganda für Ratzeburg. „Zurzeit haben wir ein kleines Luxusproblem und fast zu viele Bewerber für die 14 Internatsplätze“, sagt Swienty. – Von Christoph Staffen

Quelle: Lübecker Nachrichten, 7. April 2016, S. 18

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